SCHEIDGEN MARKTFOKUS Oktober 2024
Neuwied, 1. November 2024
Ist die US-Wahl bereits gelaufen?
Sehr geehrte/r Kundin/Kunde,
angesichts der Kursentwicklung an der Wall Street und auch der aktuellen Wahlumfragen scheint ein Wahlsieg von Donald Trump wahrscheinlich.
Die Märkte haben sich im Oktober eher ungewöhnlich entwickelt: Steigende Aktien und gleichzeitig steigende Zinsen sind unüblich. Auch der USD zeigte sich deutlich fester und gleichzeitig stieg der Goldpreis, der seinen Vorsprung gegenüber den Aktien sogar noch ausbauen konnte. Wie passt das alles zusammen?
Der Schuss ging nach hinten los
Die überraschende Zinssenkung der US-Notenbank um 0,50% am 18. September verpuffte völlig. Im Gegenteil, die Renditen von US-Staatsanleihen sind seither um durchschnittlich 0,60% gestiegen. Die folgende Grafik zeigt die Zinsentwicklung für 2- und 10-jährige US-Staatsanleihen. Damit haben sich die Finanzierungsbedingungen für Kreditnehmer sogar verschlechtert. Das Ziel der US-Notenbank, den Arbeitsmarkt zu entlasten, wird damit konterkariert.
Das Problem: Wachstum durch Schulden und explodierende Zinsausgaben im US-Haushalt
US-Präsident Biden hat bereits wie sein Vorgänger Trump die Wirtschaft mit neuen Schulden kräftig angekurbelt. Die US-Notenbank unterstützte ihn mit einer kräftigen Zinssenkung im September. Der demokratischen Kandidatin Kamala Harris scheint das aber nicht den nötigen Rückenwind auf der Zielgeraden gegeben zu haben. Die folgende Abbildung zeigt die Höhe der Zinsausgaben der US-Regierung seit Beginn der 80er Jahre. Eine Fortsetzung dieses Trends erscheint unhaltbar.
Sowohl Trump als auch Harris setzen in ihren Wirtschaftsprogrammen auf neue Schulden, um zukünftiges Wachstum zu finanzieren. Trump gilt in dieser Hinsicht sogar als skrupellos und wird versuchen, die Fed unter seine Kontrolle zu bringen. Wie schon bei der Corona-Pandemie soll diese neue Staatsschulden aufkaufen ("Quantative Easing") und so die Staatsfinanzierung zu niedrigen Zinsen ermöglichen. Der Anstieg des Goldpreises kann als Ausdruck der Angst vor einer Schuldenfalle und der damit verbundenen möglichen Abwertung des US-Dollars gesehen werden.
Die folgende Grafik zeigt die Bewertungsbänder des US-Aktienmarktes für den gleichen Zeitraum wie in der vorherigen Grafik. Das untere Band signalisiert günstige Aktienbewertungen in Höhe von 10% p.a. in Relation zu den erwarteten zukünftigen Gewinnen. Günstige Bewertungen werden vor allem durch stark fallende Aktienkurse in Rezessionsphasen erreicht, diese Phasen sind durch die grauen Balken gekennzeichnet. In wirtschaftlich guten Zeiten steigen die Aktienkurse stärker als die erwarteten Gewinne und die Bewertungen liegen am oberen Rand der Historie. Gemessen an den erwarteten Gewinnen erscheinen US-Aktien derzeit mit einer Gewinnrendite von nur 5% sehr teuer. Ähnlich wie bei Gold ist auch hier eine Flucht in Sachwerte zu vermuten. Wie bereits in einem meiner letzten Monatsrückblicke erwähnt, sind europäische Aktien und Aktien aus Schwellenländern deutlich günstiger bewertet. Letztere machen aber nur ein Drittel des Wertes im Weltaktienindex aus. Insofern ist ein Blick auf die Weltleitbörse USA nicht nur wegen der anstehenden Wahlen von besonderer Bedeutung.
Stimmen die Kapitalmärkte mit den wirtschaftlichen Realitäten überein?
Der Internationale Währungsfonds (IWF) weist in seinem jüngsten Kommentar zur Weltwirtschaftslage auf Folgendes hin: "Unsere Prognosen deuten auf eine unhaltbare Kombination aus niedrigem Wachstum und hoher Verschuldung hin. Vor uns liegt eine schwierige Zukunft. Die folgende Grafik zeigt, dass diese Einschätzung von den weltweit befragten Einkaufsmanagern in der Industrie geteilt wird.
Fazit:
Eine Wahl von Kamala Harris wäre aus Sicht der Kapitalmärkte eine Überraschung. Sie befürwortet Steuererhöhungen für Unternehmen und Besserverdienende. Aus Sicht der Wall Street wäre das eine Enttäuschung. Bei einem knappen Wahlausgang würde das Thema Wahlbetrug wieder auf die Tagesordnung kommen. Das wäre das schlimmste Szenario. Bei einem Triumph Trumps könnte der Jubel schnell in Ernüchterung umschlagen. Die Gefahr einer noch größeren Bewertungsblase durch steigende Aktienkurse ist nicht auszuschließen. Zudem ist ein spezifisches Trump-Risiko zu berücksichtigen: seine Unberechenbarkeit. Märkte benötigen verlässliches Rahmenbedingungen. Die innen- und geopolitische Lage in den USA ist äußerst angespannt. Trump gilt als Chaot. Ob er der richtige Mann ist, um in dieser schwierigen Situation als Steuermann sowohl innen- als auch außenpolitisch Ordnung zu schaffen, darf stark bezweifelt werden. Eigentlich heißt es aus Sicht der Börsianer "Politische Börsen haben kurze Beine". Zu oft hat sich gezeigt, dass Wahlergebnisse überbewertet werden. "It's the economy, stupid", scheint auch heute noch zu gelten. Da Trump eindeutig der Kandidat der Wirtschaft ist, liegen weitere Kursgewinne im Bereich des Möglichen. Die Konsolidierung der US-Wirtschaft wird kommen. Die Frage ist nur, wann. Liquidität, ein breit diversifiziertes, internationales Portfolio aus günstig bewerteten Aktien und auch Gold gehören zu einer ausgewogenen, risikovermeidenden Strategie, die angesichts der aktuellen Weltlage angebracht erscheint.
Michael Scheidgen
private finance e.K.
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