SCHEIDGEN MARKTFOKUS August 2025
Neuwied, 01. September 2025
Die Musik spielt weiter
Mit Blick auf die Finanzmärkte lässt sich festhalten, dass Chaos und Unruhe offensichtlich produktive Kräfte sein können.
Der schwache US-Dollar, der in diesem Jahr einen Wertverlust von rund 13 Prozent verzeichnete, deutet jedoch auch auf eine zunehmende Skepsis hin. Gold ist schon lange eine beliebte Anlageform, die Sicherheit vermittelt.
Offensichtlich bieten der Wohlstand der Babyboomer, eine von Regularien befreite US-Wirtschaft, Milliarden-Programme für Computer-Chips, Kriegswirtschaft und die Aussicht auf sinkende Zinsen auch weiterhin ein gutes Umfeld für die Finanzmärkte.
Der US-Präsident ist ein Meister im Jonglieren mit einer zunehmenden Anzahl von Bällen. Recht und Gesetz werden dabei ignoriert. Wie ein Gericht nun feststellte, hat er mit der Einführung von Zöllen seine Befugnisse überschritten. Sie sind illegal. Nun landet die Sache vor dem Obersten Gerichtshof. Selbst wenn dieses Urteil bestätigt wird – was aufgrund der Besetzung mit Trump genehmen Richtern eher unwahrscheinlich ist –, können die erhobenen Zölle aus praktischen Gründen nicht rückabgewickelt werden, ohne ein vollständiges Chaos auszulösen.
Die US-Wirtschaft steht noch relativ gut da. Trump fordert vehement niedrige Zinsen, obwohl die Inflation wieder anzieht. Diese Politik mag für die Kapitalmärkte, die niedrige Zinsen bevorzugen, vorteilhaft sein. 62 % der US-Bürger sind im Aktienmarkt investiert. Dieser positive Vermögenseffekt stützt die Konjunktur. In einem Interview Ende April sagte Trump, er betrachte die amerikanische Wirtschaft „als riesigen, wunderschönen Laden”, in dem „ich im Namen des amerikanischen Volkes der Besitzer bin, die Preise und Zölle festlege und sage: Wer hier einkaufen will, muss diesen Preis bezahlen”.
Mit solchen vollmundigen Versprechen betreibt er Politik. Seine Anhänger scharen sich weiterhin um ihn. An den Kapitalmärkten wird er bisweilen sogar als „kreativer Zerstörer” betrachtet. Wir sollten uns jedoch keine Illusionen machen, dass diese Politik für die US-Bürger, Amerika oder die Kapitalmärkte wertsteigernd sein könnte.
Alle Angaben in Euro - Quellen:Fonds professionell, Onvista extraETF
Die Grenzen des Wachstums
In den Nachkriegsjahren gab es schon viele Blasen an den Finanzmärkten. Sie treten regelmäßig in konzentrierter Form auf, entwickeln und beschleunigen sich und fallen anschließend zusammen. Aktuell befinden sich die sieben US-Aktien Facebook, Amazon, Apple, Microsoft, Google, Nvidia und Tesla, die unter dem Begriff „Magnificent 7” zusammengefasst werden, in einer solchen, historisch beispiellosen Entwicklung, die nach einer Korrektur ruft. Die Konzentration der Investitionen in diese US-Titel macht das globale System sehr fragil. Blasen sind massenpsychologisch zu erklärende Phänomene mit Ansteckungspotenzial, denen man sich nur schwer entziehen kann. Eine weitere Blase, die viel Aufmerksamkeit erregt, sehe ich bei Bitcoins und anderen Kryptowährungen. Der Wert aller Bitcoins würde für einen Platz in den „Magnificent 7” genügen. Steigende Kurse ziehen weitere Investoren an. Auch der unterschütterlichste Glaube kommt ins Wanken, wenn Illusionen durch unwiderlegbare Fakten entkräftet werden, Zweifel sich manifestieren, es an neuen Käufern mangelt oder schlicht Gewinne realisiert werden sollen.
Warnsignal: Zeitenwende durch steigende Zinsen
Die Notenbanken haben die Fähigkeit, die kurzfristigen Zinssätze mittels ihrer Zinspolitik zu beeinflussen, jedoch nicht die der langfriste Anleihen, deren Zinssätze sich nach Angebot und Nachfrage richten. Während der Corona-Krise sind beispielsweise die Zinssätze für 30-jährige Anleihen in Großbritannien von einem Wert unter 1 % auf aktuell 5,6 % angestiegen. Dieser Trend manifestiert sich in sämtlichen bedeutenden Währungsmärkten, einschließlich der Vereinigten Staaten von Amerika. Zinsen sind ein klassisches Maß für zunehmende Risiken. Nehmen diese in Form von Inflation oder einer abnehmenden Bonität zu, verlangen Gläubiger als Risikoausgleich höhere Zinsen. In abgeschwächter Form sind die Zinsen auch für fünf- und zehnjährige Anleihen gestiegen. Märkte zeigen eine hohe Sensibilität gegenüber steigenden Zinssätzen. Im Vorfeld des Aktiencrashs im Jahr 2000 sowie der Finanzkrise im Jahr 2008 galten steigende Zinssätze als Auslöser der schmerzhaften Korrekturen.
Fazit:
Die Autokratisierung Amerikas unter Donald Trump schreitet weiter voran. Rechtsprechung, Medien, Wissenschaft, Wirtschaft und Märkte unterliegen zunehmend seinem Diktat. Trotz der zunehmenden Eingriffe in Wirtschaft und Unternehmen gilt er als wirtschaftsfreundlich. Vor seiner Präsidentschaft scheiterte er mehrfach als Unternehmer und Banken mussten viele seiner Kredite wertberichtigen, sodass er in Amerika nicht mehr kreditwürdig war.
Noch befinden sich die Aktienmärkte im Wohlfühlmodus. Die großen, exportorientierten US-Unternehmen profitieren vom schwachen US-Dollar. Der Hype um Künstliche Intelligenz geht unvermindert weiter. Die US-Notenbank wird vermutlich schon bald die kurzfristigen Zinsen senken, obwohl die Inflation wieder anzieht. In den letzten Monaten setzten sich Bankaktien weltweit an die Spitze des Aufschwungs. Es ist ein schlechtes Zeichen, wenn sich die Finanzwirtschaft von der Realwirtschaft abkoppelt. Insgesamt sehe ich zunehmende Risiken. Noch spielt die Musik an den Märkten, und niemand möchte die Party vorzeitig verlassen. Die Gefahr, etwas zu verpassen, erscheint zu groß.
Michael Scheidgen
private finance e.K.
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Telefon: 02631/953960
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