SCHEIDGEN MARKTFOKUS September 2024
Neuwied, 1. Oktober 2024
Volle Kraft voraus
Sehr geehrte/r Kundin/Kunde,
seit dem "Schwarzen Montag" vom 5. August 2024 kennen die Märkte nur eine Richtung: nach oben.
Zuletzt sogar mit noch mehr Kraft und Schwung. Die Schwellenländer starten durch und holen auf. Und auch der Goldpreis als Absicherungsinstrument erreicht neue Rekorde. Die Monatsbilanz sieht wie folgt aus:
Reichlich Rückenwind: sinkende Zinsen, fallende Ölpreise und Impulse aus China
Was ist denn eigentlich in der Zwischenzeit passiert, dass die Kapitalmärkte so einen Rückenwind haben? Als erstes hat die US-Notenbank die Zinsen stärker als erwartet gesenkt, nämlich um 0,50 %. Auch die Europäische Zentralbank reduzierte die Zinsen mit 0,25 %. Am 24.09. hat dann Chinas Zentralbank PBoC eine ganze Reihe von Maßnahmen angekündigt, um den Immobilien- und Finanzsektor des Landes zu schützen. Das "ungewöhnlich umfangreiche Paket" (Handelsblatt) beinhaltet Zinssenkungen, die Immobilienkredite günstiger machen, sowie überraschend auch eine Kapitalspritze für die sechs größten Geschäftsbanken. Auch der trotz der Eskalation im Nahen Osten fallende Ölpreis entlastet die Portemonnaies der Verbraucher.
Vorauseilender Optimismus
Die Entwicklung des Ölpreises, die schwierige konjunkturelle Lage in China und Europa, insbesondere in Deutschland, und das seit Jahren auf Pump finanzierte Wachstum in Amerika sprechen nicht für einen nachhaltigen und substanziellen Aufschwung. Erstaunlich ist die Zuversicht an den Kapitalmärkten. Sie speist sich nun wieder aus der Hoffnung auf sinkende Zinsen und Produktivitätssteigerungen durch den Einsatz von Instrumenten der künstlichen Intelligenz. Am stabilsten scheint die Lage in den USA, wo die Wirtschaft immer noch um 2,5 Prozent wächst. Dies ist allerdings vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren in Kauf genommenen Neuverschuldung von durchschnittlich 8 % p.a. zu sehen.
Wie ist es um die US-Wirtschaft wirklich bestellt?
Dank eines wachsenden Dienstleistungssektors scheint die US-Wirtschaft relativ stabil zu sein. Der Arbeitsmarkt zeigt zwar erste Schwächen, ein grundsätzliches Problem lässt sich daraus aber noch nicht ableiten. Die US-VerbraucherInnen merken nicht zuletzt an den Zapfsäulen, dass die Preise wieder fallen. Das hilft der Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris im Wahlkampf gegen Donald Trump. Der Wahlausgang ist noch offen. Man wird sehen, wie sich die Wirtschaft danach entwickelt. In der Vergangenheit waren Zinssenkungen oft ein Zeichen für eine sich anbahnende wirtschaftliche Schwäche, die in Rezessionen mündete. Dies zeigt die folgende Grafik. Die Nagelprobe steht also noch aus.
Der gefühlte Reichtum: Die Hausse nährt die Hausse
Was steckt hinter dem Aufschwung an den Kapitalmärkten? Diese Frage ist relativ einfach zu beantworten: Es ist nachfragewirksames Geld. Laut dem aktuellen Allianz Private Wealth Report stieg das globale Geldvermögen um plus 7,6 Prozent auf 239.000.000.000.000 US-Dollar (239 Billionen USD). Steigende Aktienkurse und gute Unternehmensgewinne haben dazu beigetragen. Das durchschnittliche Vermögen der 332 Millionen US-Bürger beträgt stolze 260.000 US-Dollar pro Kopf. In der Rangliste folgen die 9 Millionen Schweizerinnen und Schweizer mit immerhin 255'000 USD pro Kopf. (Das Geldvermögen der 84 Millionen Bundesbürger beträgt nur 69.000 USD pro Kopf). "Die Hausse nährt die Hausse", lautet eine alte Börsenweisheit. Bei nüchterner Betrachtung ist die wirtschaftliche Lage vor allem der Haushalte mit mittlerem und niedrigem Einkommen in den USA alles andere als rosig. Das Konsumentenvertrauen schwindet vor allem in jenen Schichten, die die Mehrheit der US-Bevölkerung ausmachen. Solche Veränderungen sind in der Regel Vorboten einer Rezession. Die größte Gefahr für die US-Wirtschaft wäre ein Abschwung an der Wall Street, der die schönen Wohlstandseffekte zunichte machen würde.
Die kräftige Zinssenkung der US-Notenbank und die umfangreichen Maßnahmen zur Stabilisierung der chinesischen Wirtschaft haben die Kapitalmärkte in Schwung gebracht. Dennoch befinden sich die Kapitalmärkte in einem zunehmend unsicheren und gefährlichen Fahrwasser. Die Titanic galt bei ihrer Jungfernfahrt 2012 als unsinkbar. Angesichts der Größe und Bedeutung der US-Unternehmen im globalen Kontext darf es nicht zu einer Havarie kommen. Die Anzahl der Rettungsboote auf der Titanic war viel zu gering. Die Kapelle soll bis zum Schluss gespielt haben. Im Kontext der Anlagestrategie bedeutet dies, die Augen nach Alternativen offen zu halten. Chinesische Aktien und Aktien aus den Schwellenländern Asiens und Lateinamerikas standen lange im Schatten der Wall Street. Als günstig bewertete Alternativen stehen sie derzeit hoch im Kurs. In Zeiten hoher Unsicherheit ist Liquidität von strategischer Bedeutung. Trotz sinkender Zinsen bleiben Tages- und Festgelder attraktiv. Gold steht als verlässliche Krisenwährung weiterhin hoch in der Gunst der Anleger.
Michael Scheidgen
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