SCHEIDGEN MARKTFOKUS Juli 2024
Neuwied, 1. August 2024
Umgang mit Unsicherheit: Gold stellt Aktien in den Schatten
Sehr geehrte/r Kundin/Kunde,
bringen uns die "Was-wäre-wenn-Fragen" weiter?
Was wäre, wenn der Sturm auf das Kapitol erfolgreich gewesen wäre? Was, wenn die Kugel Trump nicht verfehlt hätte? Was wäre, wenn Donald Trump tatsächlich die Präsidentschaftswahlen gewinnen würde? Was, wenn seine neue Herausforderin Kamala Harris gewinnt? Klar ist, dass die politischen Karten in den USA neu gemischt werden und die Welt mit bangen Blicken nicht nur nach Amerika schaut.
Insbesondere die US-Börsen lassen sich von solchen Fragen wenig beeindrucken. Zwischenzeitlich wurden sogar neue Rekordstände erreicht. Doch die Nervosität an den Märkten nimmt zu.
Nicht erst seit gestern beeindruckt die Goldpreisentwicklung. Ob auf Sicht des letzten Monats, seit Beginn des Jahres, im Vergleich über drei Jahre oder über fünf Jahre - Gold hat selbst im Vergleich zu Aktien die Nase vorn. Der Preis des Goldes spiegelt die Unsicherheit wider, die auch an den Märkten zu spüren ist.
"Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf." Erich Honecker 1989
Der US-Kapitalismus feiert Erfolg um Erfolg. Nirgendwo auf der Welt wird mehr Geld verdient als in den USA. Der Großteil der Profite geht auf das Konto der führenden Technologiewerte. Für das Jahr 2024 rechnen die überwiegend optimistischen Analysten mit einem beschleunigten Gewinnwachstum von 15% gegenüber dem Vorjahr. Doch wo liegen die Grenzen des Wachstums und vor allem die Grenzen einer angemessenen Bewertung von Aktien, wie zum Beispiel des führenden Halbleiterkonzerns Nvidia? Eine Marktkapitalisierung von über 3.000 Mrd. USD entspricht mittlerweile einem Anteil von 11,7% des amerikanischen Bruttosozialprodukts. Selbst die im Internetboom des Jahres 2000 "wertvollste" Aktie des Netzwerkherstellers Cisco brachte nicht annähernd ein solches Gewicht auf die Waage. "What goes up must come down" ist auch eine der Lehren, die die Märkte und die nachfolgende Grafik den Börsianern immer wieder vor Augen führen.
Berechtigte Zweifel
Ed Yardeni ist meiner Meinung nach einer der erfolgreichsten Beobachter des amerikanischen Aktienmarktes. Seine in den letzten Jahren stets optimistischen Prognosen sind eingetroffen. Angesichts der rekordhohen Mittelzuflüsse in KI-Start-ups mit hohen Renditeerwartungen sieht er nun ein großes Enttäuschungspotenzial.
Bei den Technologiewerten wurden nun Gewinne mitgenommen und in kleinere und mittlere Unternehmen des US-Aktienmarktes investiert. Aufgrund der nicht vergleichbaren Größendimensionen führte dies zu einem starken Anstieg des Russell 2000 Index. Wird damit die nächste Raketenstufe der Hausse gezündet? Der Kritik an der mangelnden Marktbreite des Aufschwungs könnte damit der Wind aus den Segeln genommen werden, denn 3/4 aller US-Aktien schnitten in der Vergangenheit schlechter ab als der S&P 500 Index. Es hat sich bisher offensichtlich nicht gelohnt, seine Wetten jenseits der großen Technologiewerte zu platzieren.
Die US-Konjunkturdaten bleiben nun schon seit einigen Wochen hinter den Erwartungen zurück. Dies gilt z.B. für den Citi Suprise Index, aber auch für den Dienstleistungsindex, der bisher die Basis für eine zufriedenstellende Wirtschaftslage bildete, während sich z.B. der Immobiliensektor schon seit einiger Zeit im Abschwung befindet. Während die großen Durchbrüche bei der breiteren Anwendung von künstlicher Intelligenz auf sich warten lassen, bauen Unternehmen durch den Einsatz von KI-Assistenten zunehmend Arbeitsplätze ab. Das steigert zwar die Produktivität und damit die Gewinnerwartungen der Unternehmen, ist aber aus volkswirtschaftlicher Sicht eine bedenkliche Entwicklung. Die Arbeitslosenquote hat ihren Tiefpunkt erreicht und beginnt zu steigen. Wie die nachfolgende Grafik verdeutlich befindet sie sich an einer kritischen Markte. Die US-Wirtschaft steht und fällt mit dem Konsum. Wirtschaftswissenschaftler erkennen in der Regel Abschwünge erst dann, wenn sie bereits begonnen haben.
Fazit:
Die Wirtschaft und der Aktienmarkt in den Vereinigten Staaten befinden sich in einem scheinbar intakten Aufschwung, der von Hoffnung und Zuversicht getragen wird.
Der Höhepunkt der Inflation scheint erreicht worden zu sein. Die Aussicht auf sinkende Zinsen beflügelt wieder die Fantasie der Märkte. Der Zins ist der Turbo des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Aber es gibt Grenzen der Verschuldung und damit der wirtschaftlichen Expansion, die im Auge behalten werden müssen.
Die Zinsen für Anleihen mit längeren Laufzeiten sind niedrig und stehen in einem ungünstigen Verhältnis zu den latenten wirtschaftlichen und politischen Risiken angesichts der bevorstehenden US-Wahlen und der zunehmend besorgniserregenden Entwicklungen im Nahen Osten und in der Ukraine.
In diesem anspruchsvollen Umfeld empfehle ich Anlagen im Geldmarkt (aktuell 3,75%), Gold zur Absicherung von Währungsrisiken und ein breit diversifiziertes, internationales Portfolio von günstig bewerteten Aktien. Auch über eine Auswahl entsprechender Fonds lassen sich diese Strategien abbilden.
An sich ist der Kapitalismus das überlegene System. Denn er zeichnet sich durch eine hohe Anpassungsfähigkeit und Krisenresistenz aus. Er hat seit 1989 mehrere Bewährungsproben mit Bravour bestanden. Weitere werden folgen. Auch diese Lektion der Märkte darf nicht vergessen werden.
Ich wünsche Ihnen entspannte Sommerferien und verbleibe
Ihr
Michael Scheidgen
private finance e.K.
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Telefon: 02631/953960
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