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SCHEIDGEN MARKTFOKUS Oktober 2023

Neuwied, 1. November 2023
 

Die aktuellen Krisen als Chance begreifen?

Sehr geehrte/r Kundin/Kunde,

die globalen Aktienmärkte verloren den dritten Monat in Folge. Seit dem Zwischenhoch im August sind die Verluste über eine als gesund angesehene Korrektur von 10% hinausgegangen. Gold hat deutliche Kursgewinne verzeichnet, für die es gute Gründe gibt.

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Alle Angaben in Landeswährung - Quellen:Fonds professionell, Onvista

Der Aufwärtstrend amerikanischer Aktien scheint gebrochen zu sein

Der amerikanische Aktienmarkt, gemessen am Standard & Poor's 500 Index, hat die Durchschnittskurse der letzten 200 Tage nach unten durchbrochen. Aus historischer Sicht ist dies ein Warnsignal. Acht der elf Subsektoren des Standard & Poor 500 Index befinden sich seit Jahresbeginn bereits im Minus. Nur 7 der 500 im Index vertretenen Aktien waren für die Kursgewinne des Standard & Poor Index verantwortlich.

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Grafik Comdirect: S&P 500

Der Weg in weitere Krisen

Die Entwicklung an den Märkten spiegelte die zunehmenden Belastungen wider, nicht zuletzt durch den seit dem 7. Oktober tobenden Krieg im Nahen Osten, der große Eskalationsgefahren in sich birgt. Die USA stehen in dieser Krisenphase vor großen innenpolitischen Herausforderungen. Mit der Wahl des Trump-Hardliners Mike Johnson zum Sprecher der Republikaner im Repräsentantenhaus ist die Verabschiedung eines weiteren US-Nothaushalts über den 17. November hinaus fraglicher geworden. Ohne neue Schulden könnte die derzeit noch robuste US-Konjunktur einen deutlichen Dämpfer erhalten. Der Reputationsschaden für Amerika als führende Weltwirtschaftsmacht wäre enorm. Diese Aussicht dürfte auch ein wesentlicher Grund dafür sein, dass die Zinsen für 10-jährige US-Staatsanleihen zeitweise über 5 % gestiegen sind. Die bisherigen positiven Erwartungen für die globalen Aktienmärkte basierten auf der Annahme von fallenden Zinsen. Nun ist das Gegenteil eingetreten. Die Rezessionsrisiken nehmen zu. Es wäre eine bittere Ironie des Schicksals, wenn sich dadurch die Wahlchancen von Donald Trump deutlich verbessern würden. "It's the economy, stupid", mit diesem Wahlkampfslogan gewann schon Bill Clinton 1992 als Herausforderer den Präsidentschaftswahlkampf.

Ungebrochener Optimismus mahnt zur Vorsicht

Inflationstreibende Kriege, steigende Zinsen, sinkende Einkommen, steigende Kosten, wirtschaftliche Entglobalisierung bei zunehmender politischer Polarisierung der Welt verheißen nichts Gutes. Dennoch überrascht der ungebrochene Optimismus. Analysten empfehlen weiterhin, Schwächephasen zum Kauf von Aktien zu nutzen. In diesem Sinne titelte die FAZ noch am 20. Oktober "Viel Zuversicht für die Aktienmärkte - die niedrige Bewertung, stabile Unternehmensgewinne und das Hoch der Leitzinsen sprechen für neue Rekorde im DAX". Auch in diesem Jahr überwogen bisher die Mittelzuflüsse in die globalen Aktienmärkte, die ganz überwiegend in globale Indexfonds und damit in großkapitalisierte US-Technologiewerte flossen.  Der anhaltende Optimismus und die Konzentration des Aufschwungs auf wenige Sektoren und die dort führenden Aktien mahnen jedoch zu erhöhter Vorsicht.

Gold gerät in den Fokus, wo kreative Lösungen zur Schuldenfinanzierung gefragt sein werden

Der Goldpreis machte einen bemerkenswerten Sprung nach oben. Zum einen gilt Gold als Krisengewinner. Zunehmend könnte aber auch ein anderer Aspekt eine Rolle spielen: In den letzten 40 Jahren sind die Zinsen gesunken - von 1982 bis 2021. Es war die Zeit des billigen Geldes und in dieser Zeit wurden viele Schulden gemacht. In Europa hat sich die Staatsverschuldung seit der Finanzkrise 2008 verdoppelt, in den USA sogar verdreifacht. Die Zinslast für diese Schulden wird nun zu einem der größten Ausgabenposten der Staatshaushalte. In den USA müssen zusätzlich zur Finanzierung des rekordhohen laufenden Haushaltsdefizits in den nächsten 3 Jahren 50% der gesamten US-Staatsschulden refinanziert werden. Die Schuldenfalle droht zuzuschnappen. Als naheliegende und bereits erprobte Lösung könnten die Notenbanken erneut die Zinsen senken und die zur Finanzierung der Staatsschulden emittierten Anleihen in die eigenen Bücher nehmen (Quantative Easing). Dies würde aber aller Voraussicht nach die bereits bestehenden Inflationsprobleme verschärfen. Verlieren die Notenbanken auf diese Weise die Kontrolle über die Geldmenge, können die betroffenen Währungen stark abwerten. Niedrige Zinsen, steigende Geldmengen und daraus resultierende Inflation würden für einen weiteren starken Anstieg des Goldpreises sprechen. Die Entwicklung des Goldpreises seit 1995 bewegt sich in einem Korridor zwischen 5% p.a. (blaue Linie) und 8% p.a. (grüne Linie). Das Bild vermittelt durchaus den Eindruck, dass noch etwas Schwung in die Entwicklung kommen könnte:

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Grafik Comdirect: Goldpreis je Feinunze in USD

Fazit: 

Aus meiner Sicht ist es zu früh, die aktuellen Krisen bereits als Chance für Aktien zu sehen. Meiner Meinung nach spiegeln die Aktienkurse die sich verschlechternden wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen noch nicht ausreichend wider. Wir befinden uns derzeit in einer Reihe von Sackgassen: die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, die zu steigenden Preisen und Kosten führen, der Klimawandel und die Bewältigung der damit verbundenen Schulden. Ein Lichtblick sind die Zinsen, die Investoren für die kurzfristige Anlage von Liquidität erhalten. Auch die Zinsen für langfristige Anlagen werden - bei aller Vorsicht angesichts der Inflationsgefahren - wieder attraktiver. Nicht zuletzt sind die Kurse vieler kleiner und mittelgroßer Aktiengesellschaften in den letzten Monaten stark gefallen und haben zum Teil historisch günstige Bewertungen erreicht. An Chancen, auf die auch Optimisten zu Recht verweisen können, mangelt es auf den Kurszetteln keineswegs. Die Erwartungen an die Entwicklung der Unternehmensgewinne erscheinen unter den genannten Bedingungen noch zu optimistisch. Aktien sind und bleiben eine gute Sachwertanlage. Siemens zum Beispiel wurde bereits 1847 gegründet und hat mehrere Kriege, Geldentwertungen und die Weltwirtschaftskrise 1929 überstanden. Gerade in Krisenzeiten trennt sich die Spreu vom Weizen. Aus meiner Sicht sind die Zeiten herausfordernd, aber auch chancenreich für eine offene und breit diversifizierte Anlagestrategie, die gerade durch die Zinsentwicklung wieder mehr Alternativen bietet.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
 
Mit freundlichen Grüßen 
Ihr

Michael Scheidgen
private finance e.K.
Stefan-Andres-Straße 23
56567 Neuwied
Telefon: 02631/953960

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